Personalisierte Ernährung: Mikrobiomdaten optimieren den Speiseplan

Maßgeschneiderte Diäten basieren auf vielen Parametern, die den individuellen Stoffwechsel beeinflussen. Das Mikrobiom gehört auch dazu, erklärt Prof. Dr. med. Christian Sina, Institut für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck.

Erhöhte postprandiale Blutzuckerwerte sind ein Marker für Prädiabetes und ein Risikofaktor für die Entstehung von Adipositas, inklusive ihrer Konsequenzen wie metabolische Fettlebererkrankung (MeFLD), Typ-2-Diabetes und weiteren Krankheiten. Wie stark der Blutzucker nach dem Essen ansteigt, hängt nicht nur von der Zusammensetzung der verzehrten Mahlzeit ab, sondern auch von wirtsspezifischen Eigenschaften, etwa der Zusammensetzung des Mikrobioms. Weitere Faktoren, die den Stoffwechsel beeinflussen, spielen ebenfalls eine Rolle, beispielsweise die Gene, die zirkadiane Rhythmik, Vormahlzeiten oder körperliche Aktivität.

Blutzuckerreaktion ist individuell

Zu diesem Ergebnis kam 2015 eine wegweisende Studie des israelischen Weizman-Instituts.1 Die Forscher erfassten bei 800 Probanden eine Woche lang kontinuierlich die Blutzuckerwerte und stellten fest, dass die Blutzuckerantworten auf identische Mahlzeiten individuell sehr unterschiedlich ausfielen. Gleichzeitig wurden bei jeder Person Daten u. a. zu Mahlzeiten, Sport- und Schlafgewohnheiten, Alter, Gewicht sowie zum Mikrobiom in einem Algorithmus verarbeitet. Auf der Basis dieser Informationen erstellten die Forscher individuelle Speisepläne, die eine postprandiale Hyperglykämie vermeiden sollten.

Tatsächlich führten die personalisierten Speisepläne zu stabileren Blutzuckerprofilen, die vergleichbar waren mit den Ergebnissen einer individuellen Ernährungstherapie durch geschulte Experten. Für den Prädiktionserfolg des Algorithmus spielten die Mikrobiomdaten eine zentrale Rolle – vermutlich, weil die Darmbakterien die Verarbeitung von Nährstoffen entscheidend beeinflussen. So korrelierten bestimmte Bakterienstämme z. B. mit einer starken Blutzuckerreaktion.

Weniger Hyperglykämien

Die Erkenntnisse aus dieser Studie haben eine neue Ära der Ernährungsberatung eingeläutet. Start-ups bieten inzwischen personalisierte Speisepläne auf Grundlage von Computeralgorithmen an, etwa „Day two“ in den USA oder „Perfood“ in Deutschland. Perfood ist seit 2017 mit dem Programm „MillionFriends“ auf dem Markt. Es basiert auf der 14-tägigen Messung des postprandialen Glukosespiegels mithilfe eines Sensors am Oberarm, einem App-Ernährungstagebuch und der Mikrobiom-analyse aus einer Stuhlprobe. Aus diesen Daten ermittelt das Programm individuelle Ernährungsempfehlungen, die den Blutzuckerspiegel im Normbereich halten sollen. Eine erste Datenauswertung von 3.500 Teilnehmern zeigt, dass dies funktioniert: Im Vergleich zu vorher sank die Zahl der postprandialen Hyperglykämien bei Anwendung des Programms signifikant. Ob eine personalisierte Diät tatsächlich einen prädiabetischen Zustand reduzieren kann, wird derzeit in
einer Studie untersucht.2

Prof. Dr. med. Christian Sina

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Literatur:
1 Zeevi D et al. Cell. 2015; 163(5), 1079–1094.
2 Ben-Yacov O et al. Diabetes. 2020; 69(Supplement1).

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