Newsletter Hamburger Expertenkreis – Ausgabe 2-2021
Fäkaler Mikrobiota-Transfer: Quo vadis?
Der fäkale Mikrobiota-Transfer wird sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln. Welche Probleme mit der jetzigen Anwendung verbunden sind und wie das Therapieprinzip in Zukunft aussehen könnte, erklärt Prof. Dr. med. Andreas Stallmach, Universitätsklinikum Jena.
Der fäkale Mikrobiota-Transfer (FMT) ist eine hocheffektive Therapie bei rekurrenten Clostridioides-difficile-Infektionen (rCDI). Zudem wird er bei weiteren Indikationen im Rahmen von Studien untersucht. Der breite Einsatz des FMT in der Praxis ist angesichts strenger Vorschriften jedoch limitiert. Ein Grund ist, dass das BfArM* Stuhltransplantate als Arzneimittel klassifiziert und der FMT damit unter das Arzneimittelgesetz fällt.
FMT: Hier Arzneimittel, dort Gewebetransplantat
Dieses schreibt vor, dass betreuende Ärzte das Stuhltransplantat für den jeweiligen Patienten selbst herstellen und verabreichen müssen. Sie dürfen diese Schritte weder an Mitarbeiter delegieren noch ein Transplantat aus einem anderen Labor verwenden. Die Europäische Gesellschaft für Gastroenterologie
UEG sieht das anders: Eine Expertengruppe hat in einer aktuellen Konsensuskonferenz entschieden, dass der FMT nicht als Arzneimittel, sondern als Gewebetransplantation gelten soll.1 Auch die hohen Anforderungen an ein Stuhltransplantat erschweren den Einsatz von FMT in der Praxis: Um das Infektionsrisiko zu minimieren, wird die aufbereitete Stuhlspende eines Spenders nach einem ersten negativen Screening bei minus 80 Grad für acht Wochen tiefgekühlt. Nach dieser Quarantäne folgt ein zweites negatives Screening; erst dann darf das Präparat appliziert werden.2 Diese Vorgaben bedeuten das Aus für die Verwendung frisch aufbereiteter Stuhltransplantate. Auch werden die Kosten für die beiden komplexen Spenderscreenings derzeit nicht refi nanziert.
FMT bei Colitis ulcercosa
Seit einigen Jahren wird die Wirksamkeit eines FMT bei Colitis ulcerosa untersucht. Die Ergebnisse der kontrollierten Studien zusammengefasst,
erreichten 37 % der Patienten mit FMT eine Remission, verglichen mit 18 % in der Kontrollgruppe.3 Auch beim Remissionserhalt schnitt FMT bei Colitis-ulcerosa-Patienten in einer aktuellen Studie besser ab als Plazebo.4 Allerdings müssen für eine nachhaltige Remission wiederholte FMT erfolgen. Hintergrund ist auch die genetische Kontrolle der Mikrobiota bei Colitis ulcerosa, die sich nach einem FMT immer wieder durchsetzt.5
Möglicherweise ist es nicht notwendig, das komplette Mikrobiom zu transferieren. Eine erste Studie deutet an, dass schon die Anwesenheit bestimmter Bakterienpopulationen und ihrer Metabolite das Ansprechen des FMT bei Colitis-ulcerosa-Patienten vermittelt.6 Auch sterile Hochdruckfiltrate sind offenbar wirksam, obwohl sie keine Bakterien mehr enthalten, sondern nur noch z. B. bakterielle Metabolite, Viren oder Phagen. In einer Fallserie der Uniklinik Jena erzeugte die Verabreichung eines lyophilisierten und verkapselten Filtrats bei Patienten mit aktiver Colitis ulcerosa zwar kein Donor-ähnliches Mikrobiom, doch bewirkte es einen signifikanten Abfall des fäkalen Calprotektins und führte zu einer endoskopischen Besserung. Die Befunde dieser Studie ergänzen die Ergebnisse einer kleinen Fallserie bei Patienten mit rCDI, bei denen der Transfer von sterilem Stuhlfiltrat anhaltend erfolgreich war.7
Fazit für die Praxis
Bisherige Befunde deuten an, dass für ein erfolgreiches Ansprechen eines FMT nicht das komplette Mikrobiom übertragen werden muss. Ziel ist, die relevanten Elemente zu identifizieren, rekombinant herzustellen und auf dieser Basis Medikamente zu entwickeln.
Prof. Dr. med. Andreas Stallmach
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*BfArM: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
Literatur:
1 Keller J et al. United European Gastroenterol J. 2020 Nov 5; 2050640620967898.
2 BfArM: Fäkale Mikrobiota-Transplantation: Risiko für die Übertragung von multiresistenten Erregern.18.06.2019.
3 Aamer I et al. Cochrane Database Syst Rev. 2018;11(11):CD012774.
4 Sood A et al. Journal of Crohn´s disease and Colitis. 2019; 1-7.
5 Dicksved J et al. the ISME Journal. 2008; 2: 716-727.
6 Paramsothy S et al. Lancet. 2017; 389(10075): 1218-1228.
7 Ott SJ et al. Gastroenterology. 2017;152(4): 799-811.e7.