Newsletter Hamburger Expertenkreis – Ausgabe 3-2021

Ernährung:
Wie beeinflussen Nanopartikel die Mikrobiota?

Nanopartikel aus Lebensmitteln binden an Mikroorganismen im Darm. Das kann sich negativ, aber auch positiv auf die Gesundheit auswirken. Den Stand des Wissens erklärt Prof. Dr. rer. nat. Roland H. Stauber, Universitätsmedizin Mainz.

Nanopartikel spielen heute in fast allen Branchen eine Rolle, ob in Textilien, Kosmetika, Zahnpasta, Keramik oder der Medizin. Auch in Lebensmitteln sind sie präsent: Einige Zusatzstoffe können Nanopartikel enthalten, wie der leuchtend weiße Farbstoff Titandioxid, der u. a. in Kaugummi oder Dragees eingesetzt wird. Ein weiteres Beispiel ist das Trennmittel Siliciumdioxid, das bei Kochsalz, Gewürzen oder Milchpulver für eine gute Rieselfähigkeit sorgt und das Verklumpen von Reibekäse oder Süßwaren verhindert. Nanopartikel entstehen zudem unbeabsichtigt bei der Herstellung etwa von Bier oder Kaffee und sind im fertigen Getränk nachweisbar.

Klein trifft winzig

Was passiert, wenn Nanopartikel auf die Mikroorganismen im Magen und Darm treffen, untersuchten Forschende der Universitätsmedizin Mainz. Sie simulierten im Labor den Weg definierter Nanopartikel aus Lebensmitteln durch die unterschiedlichen Bedingungen im Gastrointestinaltrakt.1 Dabei wiesen sie nach, dass die Partikel spontan an Bakterien binden und stabile Komplexe bilden.

Dies kann sich sowohl positiv als auch negativ auf die Gesundheit auswirken. Das Andocken der Nanopartikel verändert die Oberfläche der Bakterien; infolgedessen erkennt das Immunsystem die mit Nanopartikeln bedeckten Mikroorganismen weniger effektiv, was zu vermehrten Entzündungsreaktionen führen kann.

Andererseits helfen Nanopartikel möglicherweise bei der Bekämpfung von Pathogenen. Seit einiger Zeit versucht man, antibakteriell wirksame Metall- oder Metalloxid-Nanopartikel als Antibiotika einzusetzen. Der Mechanismus: Die Nanopartikel binden an pathogene Bakterien und setzen dort toxische Metallionen frei, die freie Radikale generieren oder die Bakterienmembran destabilisieren. Dies gelingt besonders gut in einem sauren Milieu wie im Magen.

Untersuchungen an Zellkulturmodellen zeigten nun, dass auch Silica-Nanopartikel aus Lebensmitteln antiinfektives Potenzial haben: Sie binden an den Magenkeim Helicobacter pylori und reduzieren dessen Infektiosität. Helicobacter pylori ist mit der Entstehung von Magenkarzinomen assoziiert. Nach der Anheftung an Epithelzellen im Magen scheidet das Bakterium spezifische Proteine aus, die eine Reprogrammierung dieser Zellen in Richtung Proliferation und Inflammation triggern. Die Bedeckung mit Silica- Nanopartikeln verhinderte zwar nicht die Bindung des Pathogens an die Epithelzellen, bremste aber deren Reprogrammierung. In weiteren Studien soll nun erforscht werden, ob und wie spezifische Nanopartikel in Lebensmitteln eingesetzt werden können, um Pathogene im Gastrointestinaltrakt zu reduzieren.

Fazit für die Praxis

Die Erforschung der Interaktionen zwischen Nanopartikeln, Mikrobiota und Immunsystem steht noch am Anfang; die Mechanismen sind weitgehend eine Blackbox. Bisherige Erkenntnisse eröffnen jedoch neue Ansätze zur Bekämpfung von Pathogenen oder gezielten Beeinflussung des Mikrobioms: Denkbar ist z. B. die Entwicklung funktioneller Lebensmittel mit Nano-Zusätzen, die Infektionen abschwächen oder verhindern.

Prof. Dr. rer. nat. Roland H. Stauber

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Literatur:

1
Siemer S et al. Nature publishing journal -Science of Food. 2018; 2:22.

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