Newsletter Hamburger Expertenkreis – Ausgabe 2024

Die Mikrobiota kann die Entstehung von Depressionen und Fatigue bei CED beeinflussen. Belege für einen kausalen Zusammenhang fehlen aber noch, berichtet Privatdozentin Dr. med. Anne Thomann, Universitätsmedizin Mannheim.

Patientinnen und Patienten mit CED haben ein hohes Risiko für psychische Komorbiditäten. Angstzustände und Depression kommen bei ihnen zwei- bis dreimal häufiger vor als in der Allgemeinbevölkerung.1 Auch Fatigue ist verbreitet: 80 % der Betroffenen im aktiven Schub und 50 % in Remission leiden an der anhaltenden Erschöpfung und Müdigkeit.2

Überträgt die Mikrobiota Depressionen?

Möglicherweise liegt die Ursache für diese Symptome im Darm. Plausibel ist das, denn die Mikrobiota interagiert mit dem Darmimmunsystem und kommuniziert via Neurotransmittern, Zytokinen und Metaboliten mit dem Gehirn und umgekehrt. Ob die Darmbakterien über die Darm-Hirn-Achse die psychische Gesundheit beeinflussen, wurde in vielen Studien untersucht. Sie ergaben, dass die Zusammensetzung der Mikrobiota bei Depressionen und anderen psychischen Störungen typische Veränderungen aufweist. Dabei stechen konsistent insbesondere die Taxa heraus, die kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat produzieren. Ein hoher Anteil dieser Bakterien korreliert mit weniger Depressionen und einer höheren Lebensqualität und umgekehrt.3 Eine Tierstudie untermauert den Zusammenhang: Nach dem Transfer von Stuhlproben depressiver Personen auf dekolonisierte Mäuse entwickelten diese ebenfalls Symptome einer Depression, etwa Anhedonie oder ängstliches Verhalten. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Mikrobiota eine kausale Rolle bei der Entwicklung von Depressionen spielen könnte.4

Kurzkettige Fettsäuren im Fokus

Auch bei CED ist die Mikrobiota krankheitsbedingt verändert. Ob und wie das mit der hohen Prävalenz von Fatigue und Depressionen bei CED zusammenhängt, untersuchten Forschende der Universitätsmedizin Mannheim kürzlich in einer prospektiven Studie.5 Dafür analysierten sie Stuhlproben von 62 Patientinnen und Patienten mit aktiver CED auf die bakterielle Zusammensetzung und Stoffwechselaktivitäten und korrelierten die Ergebnisse mit den im Vorfeld erfassten psychischen Symptomen. Auch hier zeigte sich, dass Depressionen und Fatigue eher auftraten, wenn die Mikrobiota an Butyratproduzenten verarmt war. Sollten Interventionsstudien einen kausalen Zusammenhang zwischen Mikrobiom und psychischen Störungen bestätigen, wäre die Behandlung der Dysbiose ein denkbarer Therapieansatz, z. B. mit Pro- oder Synbiotika.

Fazit für die Praxis

Der Nutzen von Probiotika zur Linderung psychischer Störungen ist derzeit unklar und muss weiter erforscht werden.6 Studien untersuchen auch Kombinationen von Pro- und Präbiotika (Synbiotika). In einer kleineren Arbeit konnte ein Synbiotikum bei Long-COVID-Betroffenen die Fatigue erfolgreich lindern.7 Eine entsprechende Studie bei CED-Betroffenen ist in Vorbereitung.

Privatdozentin Dr. med. Anne Thomann

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Literatur:

1 Barberio B et al. Lancet Gastroenterol Hepatol. 2021; 6(5): 359-70.
2
D’Silva A et al. Clin Gastroenterol Hepatol. 2022; 20(5): 995-1009.e7.
3
McGuinness AJ et al. Mol Psychiatry. 2022; 27(4): 1920-35.
4
Kelly JR et al. Ann Epidemiol. 2016; 26(5): 366-72.
5
Thomann AK et al. BMC Med. 2022; 20(1): 366.
6
Le Morvan de Sequeira C et al. Nutrients. 2022; 14(3): 621.
7
Lau RI et al. Lancet Infect Dis. 2024; 24(3): 256-65.

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