Newsletter Hamburger Expertenkreis – Ausgabe 2-2022

CED-Patientinnen und -Patienten, deren Darmbakterien viel Butyrat produzieren, haben gute Chancen auf eine erfolgreiche Anti-TNF-Therapie. Doch wie verbessert die kurzkettige Fettsäure die Wirksamkeit der Medikamente? Neue Erkenntnisse berichtet Prof. Dr. med. Philip Rosenstiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel.

TNF-α-Inhibitoren und andere Biologika haben die Therapieoptionen bei CED verbessert, schlagen aber unterschiedlich gut an. Bei Patientinnen und Patienten mit Colitis ulcerosa z. B. liegt die primäre Non-Responderrate bei circa 40 %.1 Bislang war es unmöglich zu prognostizieren, bei wem die Therapie wirkt und bei wem nicht – ein wesentliches Problem in der Praxis. Eine aktuelle Studie der Universität Kiel hat jetzt gezeigt, dass das Mikrobiom den Therapieerfolg mitbestimmt und Signaturen entdeckt, mit denen Responder von Non-Respondern unterschieden werden können.2

Bakterien kommunizieren über Metabolite

Das Forschungsteam untersuchte, wie sich Struktur und Funktion der Mikrobiota unter einer Anti-TNF-Therapie verändern. Dafür analysierte es nicht nur die Zusammensetzung der Mikrobiota, sondern nahm insbesondere deren metabolische Aktivitäten ins Visier und simulierte diese mit systembiologischen Modellierungen am Computer. Mit dieser Technik werden komplexe Stoffwechselnetzwerke sichtbar, in denen Bakterien organisiert sind und Metabolite austauschen. Die kleinen Moleküle entstehen beim Ab- und Umbau von Nährstoffen und fungieren als eine Art Universalsprache, mit der Bakterien mit dem Wirt als auch untereinander kommunizieren. Indem sie Metabolite hin- und herreichen, hemmen oder unterstützen sie das Wachstum anderer Kommensalen und steuern so die Struktur der gesamten Mikrobiota. Eine Reihe mikrobieller Metabolite reguliert außerdem immunologische Vorgänge an der Mukosa und beeinflusst damit auch entzündliche Prozesse.

Butyrat ist prädiktiv für Therapieerfolg

Die Forschenden erstellten vor und nach der Anti-TNF-Therapie „Schnappschüsse“ der Stoffwechselnetzwerke und errechneten auf dieser Basis, welche Metaboliten die jeweilige Mikrobiota voraussichtlich produziert. Überraschendes Ergebnis: Responder und Non-Responder unterschieden sich in puncto Stoffaustausch bereits vor Therapiebeginn. Im Vergleich zu Non-Respondern fanden bei Respondern stabilere metabolische Interaktionen statt, die mit einem höheren Anteil an Butyrat-bildenden Darmbakterien assoziiert waren. Metabolomanalysen von Stuhlproben bestätigten, dass eine Anreicherung von Butyrat vor Therapiebeginn prädiktiv für späteres Ansprechen ist. Bei Therapieversagern stachen andere Metaboliten heraus; bei ihnen waren Abbauprodukte schwefelhaltiger Aminosäuren angehäuft.2

Mikrobiom optimieren, besseres Ansprechen

Die Frage ist, ob die Gabe oder Antagonisierung bestimmter Metabolite das individuelle Ansprechen auf eine Anti-TNF-Therapie optimieren kann. Theoretisch ist Butyrat ein Kandidat für eine solche Intervention: Bereits frühere Studien zeigen, dass die kurzkettige Fettsäure das Immunsystem antientzündlich beeinflusst und die Darmbarriere stabilisiert. Aufgrund ihres scheußlichen Geruchs und der laxierenden Wirkung ist ein therapeutischer Einsatz aber unmöglich. Möglicherweise lässt sich das Potenzial von Butyrat aber über Umwege nutzen. Die Kieler Forschenden haben auf molekularer Ebene entdeckt, welche Effekte die Fettsäure am Darmepithel entfaltet: Butyrat reguliert die Produktion von Hexokinase 2, einem Enzym, das bei der Glykolyse aktiv ist und bei Entzündungen verstärkt produziert wird. Im Mausmodell senkte die Gabe von Butyrat die Hexokinase-2-Spiegel in den Darmepithelzellen und schützte vor einer Colitis.3 Hexokinase 2 als Zielmolekül von Butyrat könnte ein potenzieller Angriffspunkt für neue antientzündliche Wirkstoffe sein: Gelingt es, das Enzym zu hemmen, könnte sich das Potenzial von Butyrat auch ohne dessen direkten Einsatz entfalten. Ein fäkaler Mikrobiota-Transfer (FMT) von Respondern einer Anti-TNF-Therapie ist eine weitere Option, das Ansprechen zu optimieren. Denkbar ist außerdem der Aufbau des Mikrobioms durch die Gabe einzelner Butyrat-bildender Bakterien, um die Mukosa antientzündlich zu beeinflussen.

Fazit für die Praxis

Bakterielle Metabolite haben profunden Einfluss auf immunmodulatorische Therapien, u. a. bei CED. Mit der Entschlüsselung der metabolischen Prinzipien könnten sich neue mikrobiotabasierte Ansätze für eine effektivere Behandlung ergeben, z. B. mit Pro- oder Postbiotika.

Prof. Dr. med. Phillip Rosenstiel

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Literatur:

1 Danese S, Vuitton L, Peyrin-Biroulet L. Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2015; 12(9): 537 –45.

2 Aden K et al. Gastroenterology. 2019; 157(5): 1279 –92.e11.

3 Hinrichsen F et al. Cell Metab. 2021; 33(12): 2355 –66.e8.

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