COVID-19: Welche Rolle spielt das Mikrobiom?

Newsletter Hamburger Expertenkreis – Ausgabe 2-2022

Eine SARS-CoV-2-Infektion verändert das Mikrobiom dysbiotisch. Beeinflusst das den Verlauf von COVID-19? Prof. Dr. med. Julian Schulze zur Wiesch, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, zum Stand der Forschung.

COVID-19 ist eine akute Multisystemerkrankung, die auch Magen, Darm und Leber betrifft und intestinale Beschwerden verursachen kann. Diese reichen von Appetitverlust, Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns bis zu Übelkeit, Durchfall und Bauchschmerzen oder Reflux. Zungenveränderungen wie Kribbeln oder Anschwellen können ebenfalls auf COVID-19 hinweisen.1

Cross-Talk zwischen Darm und Lunge

Möglicherweise beeinflusst das Mikrobiom das Infektionsrisiko und den Verlauf von COVID-19. Mehrere Studien zeigen, dass COVID-19 mit einer Dysbiose einhergeht: Die Mikrobiota verarmt an Spezies, die das Immunsystem antiinflammatorisch modulieren. Gleichzeitig sind proinflammatorische Zytokine und Entzündungsmarker im Blut erhöht.2,3 Das spricht für eine Dysfunktion der Darmbarriere und gestörte Immunhomöostase, die einen schweren Verlauf von COVID-19 befeuern könnte. Erklärbar ist das mit dem Cross-Talk zwischen intestinalem und Lungenmikrobiom: Über diese Achse regulieren die Darmbakterien via Metabolite Immunreaktionen in der Lunge und wirken bei gesunden Verhältnissen Atemwegsinfektionen entgegen.4 Auch Langzeitfolgen sind offenbar mit einem veränderten Darmmikrobiom assoziiert. In einer Studie mit 106 COVID-19-Kranken hatten 76 % nach sechs Monaten noch Symptome, v. a. Müdigkeit, Gedächtnisstörungen und Haarausfall. Im Gegensatz zu Patientinnen und Patienten ohne Langzeitfolgen hatte sich ihr Mikrobiom nicht erholt. Anhaltende respiratorische Probleme korrelierten mit opportunistischen Darmpathogenen, neuropsychiatrische Symptome und Müdigkeit mit nosokomialen Erregern. Ein hoher Anteil an Butyrat-bildenden Bakterien in der Mikrobiota war dagegen invers mit Langzeitkomplikationen korreliert.5

Fazit für die Praxis

Studien lassen vermuten, dass das Mikrobiom den Verlauf von COVID-19 über die Modulation des Immunsystems beeinflusst. Ansätze für
eine therapeutische oder prädiktive Nutzung des Mikrobioms gibt es derzeit aber nicht.

Prof. Dr. med. Julian Schulze zur Wiesch

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Literatur:

1 Nuno-Gonzalez A. et al. British J Dermatol. 2021; 184.

2 Yeoh YK et al. Gut. 2021; 70: 698 –706.

3 Sun Z. et al. BMC Med. 2022; 20: 24.

4 Hussain I. Front Immunol. 2021; 14, 12:765965.

5 Liu Q et al. Gut. 2022; 71: 544 –52.

 

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