Newsletter Hamburger Expertenkreis – Ausgabe 2024
Die Heilung und Regeneration der Mukosa ist ein attraktives Therapieziel bei CED. Welche Gene, Signalwege und Moleküle als Ansatzpunkte für potenzielle Strategien in Frage kommen, erforscht Assoc. Prof. Dr. Eduardo J. Villablanca am Karolinska Institut in Stockholm, Schweden.
Fast alle derzeit verfügbaren CED-Therapien zielen darauf ab, die Entzündung und damit die klinischen Symptome zu lindern. Der Erfolg ist
jedoch nicht immer optimal, zudem wirken die meisten Medikamente immunsuppressiv und gehen mit einem erhöhten Risiko für Infektionen und Krebs einher. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung alternativer Therapien attraktiv, die eine langfristige Mukosaheilung ohne
Immunsuppression fördern.1
Für dieses Ziel untersuchen mehrere Teams am Stockholmer Karolinska Institut die molekularen Mechanismen der Mukosaheilung in einem interdisziplinären Forschungsprogramm. Es umfasst neue experimentelle Zebrafisch- und Mausmodelle für CED und nutzt moderne Technologien wie Einzelzell-RNA-Sequenzierung (scRNA-seq) und räumliche Transkriptomik. Außerdem integriert es Systembiologie und verwendet klinische Proben. Diese Datensätze enthüllen zunehmend die Interaktionen und Netzwerke zwischen Genen, Signalwegen und Zelltypen, die an der Mukosaheilung beteiligt sind.
B-Zellen hemmen die Mukosaheilung
Ein Team untersuchte das Verhalten von Immunzellen im Kolongewebe von Mäusen während einer experimentell ausgelösten Kolitis und der anschließenden Heilungsphase. Dabei entpuppten sich B-Zellen unerwartet als Störfaktor: Sie vermehrten sich auch während der Regenerationsphase weiter und wurden zur dominierenden Zellart. In den geschädigten Arealen der heilenden Mukosa sammelte sich insbesondere ein Interferon-induzierter Subtyp an B-Zellen an. Die Depletion dieser B-Zellen beschleunigte die Regeneration der Mukosa, verringerte die Epithelgeschwüre und verbesserte die mit dem Gewebeumbau verbundenen Genexpressionsprogramme.2
Darüber hinaus blockierten B-Zellen den für die Mukosaheilung notwendigen Crosstalk zwischen Epithel und Stroma, also dem zellreichen Bindegewebe, in das die Epithelzellen eingebettet sind. Die Depletion der B-Zellen verringerte den Abstand zwischen Epithel- und Stromazellen, sodass der Crosstalk wieder funktionierte. Insgesamt deuten die Daten darauf hin, dass die Modulation der B-Zell-Reaktionen während der Mukosaheilung ein Therapieansatz für CED sein könnte. Weitere Studien müssen die Rolle der B-Zellen jedoch im Gesamtkontext überprüfen, z. B., ob sie langfristig auch eine gesunde Mikrobiota fördern oder eine potenzielle Tumorentstehung kontrollieren könnten.2
Räumliche Transkriptomik: Was passiert wo im Darm?
Noch tiefere Einblicke in den Prozess der Mukosaheilung ermöglicht die räumliche Transkriptomik. Sie visualisiert, wo welche Gene im Darmgewebe exprimiert werden und welche Zelltypen und Signalwege bei der Mukosaheilung eine Rolle spielen.3 Untersuchungen an heilenden Mausdärmen zeigen, dass im distalen, nicht aber im proximalen Kolon viele Gene verändert sind.4 Die Beobachtungen entsprechen einem Phänotyp bei Colitis ulcerosa, bei dem sich die Entzündung vom Rektum aus nach proximal ausbreitet. Zudem wurde festgestellt, dass im distalen Kolon Gene und Signalwege dominieren, die charakteristisch bei Colitis ulcerosa sind. Ob der höhere Schädigungs- und damit Regenerationsgrad im distalen Kolon von der Mikrobiota abhängt oder wirtsinduziert ist, muss weiter untersucht werden.
Bei CED mehrere Biopsen gewinnen
Eine weitere Erkenntnis war, dass im distalen Kolon gleichzeitig mehrere Heilungsprogramme in unterschiedlichen Gewebeabschnitten ablaufen. Diese weisen jeweils andere Cluster mit Genen auf, die z. B. Reepithelisierung, Geweberegeneration, Keratinisierung oder Proteinsynthese induzieren. Das unterstreicht, wie wichtig es ist, bei Patientinnen und Patienten mit CED mehrere Biopsien aus unterschiedlichen Darmregionen zu gewinnen, um den aktuellen Zustand des Gewebes realistisch beurteilen zu können.4
Fazit für die Praxis
Die Förderung der Mukosaheilung ist ein vielversprechendes Therapieziel bei CED. Die Mechanismen werden zunehmend verstanden, eine Entwicklung konkreter Therapiestrategien ist bislang aber noch nicht erfolgt.
Assoc. Prof. Dr. Eduardo J. Villablanca
Zum Download
Aktuelle Ausgabe des Newsletters Hamburger Expertenkreis
Die Print-Ausgabe erhalten Sie von Ihrem persönlichen FERRING-Ansprechpartner
Literatur:
1 Villablanca EJ et al. Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2022; 19(8): 493-507.
2 Frede A et al. Immunity. 2022; 55(12): 2336-51.e12.
3 Ståhl PL et al. Science. 2016; 353(6294): 78-82.
4 Parigi SM et al. Nat Commun. 2022; 13(1): 828.