Newsletter Hamburger Expertenkreis – Ausgabe 4-2021
Karzinogenese und Metastasierung:
Wie ist die Mikrobiota involviert?
Die Mikrobiota beeinflusst vermutlich immunologische Signalwege, die die Karzinogenese und Metastasierung regulieren. Die Mechanismen erforscht Prof. Dr. med. Samuel Huber, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
TH-17-Zellen des Immunsystems sezernieren Zytokine, die sowohl protektive als auch pathologische Eigenschaften haben. Insbesondere Interleukin 22 (IL-22) fördert die Wundheilung und Gewebereparatur, kann aber auch die Tumorentstehung begünstigen. Aus diesem Grund wird es endogen streng kontrolliert – u. a. durch IL-22-Bindeprotein (IL-22BP), das an IL-22 andockt und es neutralisiert. Diese Kontrolle ist wichtig für das Überleben von Kolonkarzinom-Patienten: Bei Untersuchungen von Tumorgewebe korrelierte eine hohe Expression von IL-22BP mit einer längeren Überlebenszeit, eine niedrige erwies sich als unabhängiger Risikofaktor für eine kürzere Überlebenszeit.1 IL-22 und IL-22BP spielen offenbar auch eine Rolle bei der Entwicklung von Metastasen. Es sind jedoch weiterführende und mechanistische Untersuchungen nötig, um hieraus eine Therapie abzuleiten.
Modulation der Mikrobiota
Interessanterweise scheint die Kommunikation zwischen Mikrobiota, Immunsystem und Gewebe essenziell für die Wundheilung, Karzinogenese und Metastasierung zu sein. Welche Signalwege die Mikrobiota dabei konkret nutzt, wird derzeit untersucht. Dabei steht neben IL-22 auch das Zytokin IL-17A im Fokus. Ziel dieser Untersuchungen ist es, in die Kommunikation zwischen Mikrobiota, Immunsystem und Gewebe einzugreifen, um beispielsweise eine Metastasierung zu verhindern.
Offenbar beeinflusst die Mikrobiota bei Krebspatienten auch die Reaktion auf eine Immuntherapie. Darauf weisen zwei kleinere klinische Studien hin, in denen der kombinierte Einsatz von fäkalem Mikrobiota-Transfer (FMT) und einem Checkpoint-Inhibitor erfolgreich genutzt werden konnte, um ein Ansprechen zu induzieren.2,3
Fazit für die Praxis
Die Mikrobiota scheint eine wichtige Rolle bei der Karzinogenese und Metastasierung zu spielen. Ihre Modulation könnte folglich ein Ansatz für künftige Krebstherapien sein, z. B. in Kombination mit einer Checkpoint-Inhibitor-Therapie.
Prof. Dr. med. Samuel Huber
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Literatur:
1 Kempski J et al. Gastroenterology. 2020; 159(4): 1417-30.
2 Baruch E et al. Science. 2021; 371(6529): 602-09.
3 Davar D et al. Science. 2021; 371(6529): 595-602.