Kolonisationsresistenz: Wie hält das Mikrobiom Pathogene in Schach?

Die Kolonisationsresistenz des Mikrobioms ist essenziell für die Abwehr gastrointestinaler Pathogene. Wie funktioniert sie? Können Probiotika sie stärken? Welche Faktoren schwächen sie? Einen Überblick gibt Dr. med. Carolin Manthey, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Ob Clostridioides difficile, Salmonellen oder Shigellen: In einem intakten Mikrobiom kommen vielfältige Strategien zum Einsatz, die gastrointestinale Pathogene in Schach halten. Damit verhindern die Darmbakterien Infektionen oder mildern deren Verlauf. Die molekularen Mechanismen dieser Kolonisationsresistenz werden zunehmend erforscht.

Gift und Gallensäuren gegen C. difficile

Zum Beispiel wandelt das kommensale Bakterium Clostridium scindens primäre in sekundäre Gallensäuren um, wenn das Pathogen C. difficile versucht, sich im Darm auszubreiten. Dessen Wachstum wird durch sekundäre Gallensäuren effektiv blockiert: Antibiotikabehandelte Mäuse waren nach der Besiedlung mit C. scindens vor einer Infektion mit C. difficile (CDI) geschützt, sie überlebten länger und verloren weniger Gewicht als Tiere der Kontrollgruppe.1

Andere Bakterien produzieren Bakteriozine, die C. difficile abtöten: Das Toxin Thuricin des Bacillus thuringiensis z. B. reduzierte C.-difficile-Kolonien in einem ex-vivo-Kolonmodell effektiver als Metronidazol, das üblicherweise bei Clostridioides-difficile-assoziierter-Diarrhoe (CDAD) eingesetzt wird.2

Probiotika: Nicht für jeden nützlich

Nach einer Antibiotikatherapie ist die Kolonisationsresistenz geschwächt; um sie zu stärken, verschreiben Ärzte häufig Probiotika. Auch bei Gesunden stehen sie hoch im Kurs, zur Verbesserung der Darmgesundheit und Prävention von Krankheiten. Doch nicht alle Menschen sprechen auf Probiotika an. Das zeigt eine israelische Studie mit 15 gesunden Probanden, die vier Wochen ein Probiotikum oder Placebo einnahmen. Die Bakterien siedelten sich nur bei etwa der Hälfte der Probanden an; bei den anderen ließ das Mikrobiom keine Kolonisierung zu, sie waren probiotikaresistent.3 In einer Follow-up-Studie teilten die Forscher 21 Probanden nach einwöchiger Antibiotikabehandlung in drei Gruppen: Eine erhielt eine autologe Fäkaltransplantation, also vor der Antibiotikabehandlung gewonnenen Eigenstuhl, die zweite Gruppe bekam ein Probiotikum, die dritte wurde nicht weiter behandelt. Die autologe Fäkaltransplantation schnitt am besten ab: Das Mikrobiom regenerierte sich innerhalb von Tagen nahezu vollständig. In der Probiotikagruppe siedelten sich die probiotischen Bakterien zwar im Darm an, dies verzögerte aber über Monate die Regeneration des Ursprungsmikrobioms.4

Nicht eindeutig ist, wie effektiv eine Probiotikagabe zur Prävention gastro-intestinaler Infektionen nach einer Antibiotikatherapie wirkt. In einer Studie mit fast 3.000 antibiotikabehandelten Patienten war kein Unterschied zwischen Placebo und Probiotika feststellbar: In beiden Gruppen trat bei circa 10 % der Patienten eine Antibiotika-assoziierte Diarrhoe auf, darunter war jeweils eine geringe CDI-Rate von rund 1 %.5 Wahrscheinlich senken Probiotika das CDAD-Risiko effektiv nur in Populationen mit hoher CDI-Rate: Dort fanden Studien eine Risikoreduktion von bis zu 70 %.6

Zink und Trehalose

Neben Probiotika beeinflussen auch Nährstoffe die Kolonisationsresistenz. Ein Beispiel ist Trehalose: Der Zucker mit der halben Süßkraft von Haushaltszucker ist seit 2001 in der EU als Novel Food zugelassen und wird häufig u.a. in Speiseeis, Kaugummi oder Backwaren eingesetzt. Trehalose könnte in den letzten Jahren zur Ausbreitung der virulenten C.-difficile-Stämme Ribotyp 027 und Ribotyp 078 beigetragen haben. Diese nutzen Trehalose als bevorzugte Kohlenstoffquelle; bereits geringe Konzentrationen im Darm aktivieren ein Gen, das die Metabolisierung von Trehalose ermöglicht und damit wachstumsfördernd wirkt. Fehlt Mäusen dieses Gen oder enthält ihr Futter keine Trehalose, ist nach einer C.-difficile-Infektion weniger Toxin im Darm nachweisbar und sie überleben länger als Tiere der Kontrollgruppe.6

Neben Trehalose fördert auch die Anwesenheit von Zink im Darm das Wachstum von C. difficile. Bei Mäusen, die fünf Wochen zinkreiches Futter erhielten, veränderte sich die Komposition der Mikrobiota grundlegend. Nach einer Infektion mit C. difficile verlief die Kolitis bei diesen Tieren aggressiver als in der Kontrollgruppe und es waren höhere Toxinkonzentrationen nachweisbar.7

Entzug von Eisen hemmt Salmonellenwachstum

Ein Mikronährstoff spielt auch bei der Abwehr von Salmonella typhimorium eine Schlüsselrolle: Salmonellen brauchen Eisen, um sich zu vermehren, ebenso wie Bakterien der Familie Enterobacteriaceae, deren Anwesenheit im Mikrobiom vor einer Salmonelleninfektion schützt. Für die Resistenz ist insbesondere der Stamm E. coli Nissle verantwortlich. Er reduziert das Wachstum von Salmonella typhimorium, indem er ihm Eisen entzieht.8,9

Shigellen sind ebenfalls relevante Erreger von Gastroenteritiden. Weltweit steigen die Infektionszahlen insbesondere mit Shigella sonnei; dieser Stamm hat Shigella flexneri inzwischen überholt. In einer Studie aus dem Jahr 1961 überlebten mit Shigella flexneri infizierte Meerschweinchen, wenn sie mit E. Coli behandelt wurden. E. Coli vermittelt also Resistenz gegenüber S. flexneri. Ganz anders S. sonnei: Mit dem T-6-Sekretionssystem besitzt es eine effektive Waffe, die das Wachstum von E. Coli hemmt. Das heißt, dieser Stamm hat die Resistenz überwunden und entwickelt zunehmend Virulenzpotenzial.10

Fazit für die Praxis

Die Mechanismen der Kolonisationsresistenz könnten neue Therapieansätze bei bakteriellen Infektionen eröffnen. Denkbar ist z. B. die Entwicklung von Probiotika, die mit Pathogenen um Mikro- und Makronährstoffe konkurrieren und ihr Wachstum auf diese Weise blockieren.

Dr. med. Carolin Manthey

Dr. med. Carolin Manthey

Zum Download

Aktuelle Ausgabe des Newsletters Hamburger Expertenkreis

Die Print-Ausgabe erhalten Sie von Ihrem persönlichen FERRING-Ansprechpartner

» Jetzt anfragen «

Literatur:

1    Buffie CG et al. Nature. 2015; 517(7533):205-8.

2    Rea MC et al. PNAS. 2010; 107(20): 9352-9357.

3    Zmora N et al. Cell. 2018; 174(6):1388-1405.

4    Suez J et al. Cell. 2018; 174(6):1406-1423.

5    Allen SJ al. Lancet. 2013; 382(9900):1249-57.

6    Collins J et al. Nature. 2018; 553(7688):291-294.

7    Zackular JP et al. Nature Med. 2016; 22(11):1330-1334.

8    Velazquez IM et al. Nature Microbiol. 2019; 4(6):1-8.

9    Deriu E et al. Cell Host Microbe. 2013;14(1):26-37.

10 Anderson MC et al. Cell Host Microbe, 2017;14;21(6):769-776.e3.

FERRING steht für weit mehr als Medikamente – innovative Therapieansätze, Value-based Healthcare und wirkungsvolle Therapiekonzepte bestimmen unser Forschen und tägliches Handeln.

Haben Sie Fragen?

Schreiben Sie uns einfach oder rufen Sie uns an.