Newsletter Hamburger Expertenkreis – Ausgabe 2024

Im Mikrobiom schlummern vermutlich unzählige Optionen für neue Präventions- und Therapiestrategien. Für ihre Erschließung müssen wir besser verstehen, wie die Mikrobiota Pathogene in Schach hält und wie sie das Immunsystem kalibriert, erklärt Prof. Dr. med. Andreas Diefenbach, Charité, Berlin.

Die Mikrobiota führt bei Gesunden zu einer ausgeprägten Kolonisationsresistenz: Sie wehrt Pathogene ab, hält sie in Schach oder eliminiert sie. Auf diesem Potenzial basiert z. B. der Erfolg des fäkalen Mikrobiota-Transfers (FMT) bei rezidivierenden Clostridioides-difficile-Infektionen – eine Therapie mit Heilungsraten von bis zu 90 %.1 Die Strategien der Kolonisationsresistenz sind vielfältig, raffiniert und nicht nur im Darm effektiv. Sie sind eingebettet in ein komplexes mikrobielles Ökosystem, das über Metabolite und spezifische Signalwege auch systemisch wirkt. So verhindert die Anwesenheit von Bacillus-Bakterien in der Darmmikrobiota eine Kolonisierung von Staphylococcus aureus u. a. in der Nase. Bacillus-Bakterien produzieren ein Peptid, das die Quorum-Sensing-Kommunikation von S. aureus blockiert und so dessen Virulenz reduziert.2 Das Prinzip funktioniert auch beim Menschen: In einer klinischen Studie führte die Einnahme eines Bacillus-Probiotikums bei mit S. aureus kolonisierten Personen zur Elimination von mehr als 95 % des Erregers.3

Ohne Mikrobiota keine Infektabwehr

Wichtig für die Gesundheit ist auch das Verständnis, wie sich das Immunsystem im Lauf der Evolution an die permanente Interaktion mit dem Mikrobiom angepasst hat. Aufschlussreich sind Untersuchungen mit dendritischen Zellen, die zum Immunsystem gehören und essenziell für die Immunantwort auf Pathogene sind. Unter keimfreien Bedingungen können diese Zellen keine Immunantwort starten. Um adäquat reagieren zu können, erhalten sie im Basiszustand konstant ein kleines Typ-I-Interferon-Signal, das von der Mikrobiota reguliert wird.4 Die Produktion dieser Botenstoffe beginnt in den ersten Lebenswochen nach der Besiedlung mit dem Mikrobiom; sie schalten das angeborene Immunsystem quasi an, halten es fit und antwortbereit. Offene Fragen sind, welche Komponenten der kindlichen Mikrobiota die Produktion von Typ-I-Interferon beeinfl ussen und ob höhere Konzentrationen das Risiko für entzündliche Krankheiten erhöhen.

Fazit für die Praxis

Strategien der Kolonisationsresistenz können als Blaupause für Therapien zur Dekolonisierung von S. aureus dienen. Denkbar ist der Einsatz von probiotischen Bakterien oder deren Metaboliten.

Prof. Dr. med. Andreas Diefenbach

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Literatur:

1 Von Nood E et al. N Engl J Med. 2013; 368(5): 407-15.
2
Piewngam P et al. Nature. 2018; 562(7728): 532-7.
3
Piewngam P et al. Lancet Microbe. 2023; 4(2): e75-e83.
4
Schaupp L et al. Cell. 2020; 181(5): 1080-96.e19.

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