Mikrobiom und Immunregulation: Darmbakterium als Entzündungstreiber identifiziert

Prof. Dr. rer. nat. Till Strowig, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, erforscht Interaktionen zwischen dem Darmimmunsystem und Prevotella-Bakterien. Nach derzeitigem Stand des Wissens agieren sie zumindest mitunter als Feind.

Bakterien der Gattung Prevotella sind in der Mikrobiota im Mund, Urogenital- und Gastrointestinaltrakt häufig stark vertreten. Vertreter der Gattung gehören einerseits zur physiologischen Besiedlung und tragen z. B. zur Verbesserung des Glukosestoffwechsels beim Menschen bei, werden andererseits aber auch mit Infektionen in Verbindung gebracht. Im oralen Mikrobiom ist eine Prevotella-Dominanz mit Gingivitis assoziiert, in der Vagina häufiger mit bakterieller Vaginose, im Kolon mit einem unausgeglichenen Mikrobiom. Auch bei vielen Patienten mit rheumatoider Arthritis herrschen Prevotellen vor, kurioserweise aber nur bei neu diagnostizierten, noch unbehandelten Patienten sowie bei präklinischen Patienten mit Autoantikörpern.1,2

Wie hoch der Anteil an Prevotellen im Mikrobiom ist, hängt wesentlich von der Ernährung ab. Ihr Enzym-Repertoire ist auf den Abbau komplexer Kohlenhydrate spezialisiert, daher können sie sich bei ballaststoffreicher Ernährung gut vermehren. Forscher des HZI haben in einer aktuellen Studie sogar das Leibgericht eines Vertreters der Gattung entdeckt: Besonders stark expandierten diese Prevotellen nach Zugabe des Ballaststoffs Arabinoxylan, der u.a. in Getreide vorkommt.3

Verändertes Metaboliten-Spektrum

Dass Prevotellen nicht nur Biomarker, sondern tatsächlich ein Entzündungstreiber seien können, belegt eine weitere Studie des HZI.4 Sie stellte fest, dass Prevotella intestinalis, eine neu identifizierte Spezies aus der Mikrobiota von Mäusen, eine bereits bestehende Kolitis bei Mäusen noch verstärkte. Nachdem die Tiere mit dem Bakterium kolonisiert wurden, expandierte es rasch, verdrängte andere Bakterien und dominierte nach vier Wochen die Mikrobiota. Damit verbunden war eine Veränderung der bakteriellen Metabolite im Darm, u. a. ein Rückgang der kurzkettigen Fettsäure Acetat – ein Molekül, das die Produktion antiinflammatorischer Zytokine fördert. Im Gegenzug stieg die Produktion proinflammatorischer Zytokine; die Bildung von Interleukin 18, das vor Kolitis schützt, wurde dagegen blockiert.4

Möglicherweise erhöht die mit der Entzündung verbundene Schädigung der Darmbarriere nicht nur die Anfälligkeit für intestinale, sondern auch für  Autoimmunkrankheiten wie rheumatoide Arthritis. Dies soll in weiteren Studien untersucht werden.

Prof. Dr. rer. nat. Till Strowig

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Literatur:
1 Scher JU et al. eLife 2013;2:e01202.
2 Alpizar-Rodriguez D et al. Ann Rheum Dis. 2018; 78(5). DOI: 10.1136/annrheumdis-2018-214514.
3 Gàlvez E et al. Cell Host Microbe. 2020. doi: 10.1016/j.chom.2020.09.012.
4 Iljazovic A et al. Mucosal Immunology. 2020. doi: 10.1038/s41385-020-0296-4.

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